Um die Landwirtschaft unabhängiger von chemischen Pflanzenschutzmitteln zu machen, suchten unsere Wissenschaftler nach natürlichen Ersatzstoffen. Saponine zählen zu solchen Bioziden, und einige heimische Pflanzen produzieren sie.
Das Ziel unseres dreijährigen Forschungsprojektes "Landwirtschaftlicher Anbau saponinreicher Pflanzen zur Gewinnung natürlicher Biotenside (SapoPlant)" war es, heimische saponinhaltige Pflanzen anzubauen und zu testen, wie sich solche Kulturen für Landwirte gewinnbringend in die Fruchtfolge integrieren lassen. Gefördert wurde das Projekt vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg (MLUK).
Arten wie Luzerne, Bockshornklee und Steinklee bilden Saponine. Der Begriff leitet sich vom lateinischen Wort Sapo für Seife ab, denn Saponine fallen durch einen seifenartigen Charakter auf. Sie sind waschaktiv und schäumen – gut zu sehen, wenn beim Kochen von Erbsen Schaum entsteht. Die Stoffe bilden sich in ober- und unterirdischen Teilen der Pflanzen und sind wahrscheinlich eine Strategie, sich gegen Fraßfeinde und Pilze zu wehren. Unter anderem sind Saponine in der Lage, Zellwände aufzulösen, können somit Pilze zerstören und ihr meist bitterer Geschmack hält Tiere vom Weiterfressen ab. Es gibt aber auch Saponine mit einer süßen Note, wie das Glycyrrhizin, das Lakritze das charakteristisches Aroma verleiht.
Weltweit kommen extrahierte Saponine vereinzelt als tensidisch wirkende Netzmittel in Pflanzenschutzmitteln zum Einsatz, die über die Kultur versprüht werden. Saponine sind auf aufgrund ihrer chemischen Struktur tensidisch. Das heißt, sie schäumen gut im Wasser und setzen die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten herab. Wie Seifen können sie Fette – zum Beispiel in Zellen – lösen. Bekannt sind Saponinextrakte aus der Teeölkamelie (Camellia oleifera) und der Palmlilie (Yucca schidigera), die in Australien und China eingesetzt werden. „Tatsächlich gibt es bisher wenige biobasierte Tenside, die auf dem Feld eingesetzt werden“, erklärt die Projektleiterin Karen Sensel-Gunke. Vor allem hierzulande. Für mehr regional produzierte biobasierte Tenside gilt es zu überlegen, wie heimische saponinhaltige Pflanzen angebaut werden können. Karen Sensel-Gunke ist Diplomingenieurin für Lebensmitteltechnologie und leitete das Vorhaben. „Als Saponinlieferanten kommen vor allem Leguminosen in Frage. Leguminosen sollen ja ohnehin verstärkt angebaut werden, liefern sie doch Proteine für die tierische und menschliche Ernährung. Zudem benötigen sie keinen Stickstoffdünger, dessen Produktion Klimaemissionen verursacht.“, so die Lebensmitteltechnologin. Deshalb bauten die eingebundenen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auf Flächen der IASP-Versuchsstation Berge Luzerne, Bockshornklee und Steinklee an. Ebenso wurden Luzerne und Steinklee auf 0,5 Hektar des Havellandhof Ribbeck – Praxispartner in diesem Projekt – ausgesät. Wichtig war den Projektentwicklern, dass die gewählten Leguminosen gut in die landwirtschaftliche Fruchtfolge passen. Denn die Kernannahme der Wissenschaftlerin: „Pflanzen nur für ihren Saponingehalt anzubauen, lohnt sich nicht. Wir streben im Projekt eine Doppelnutzung an.“
Anbauwürdigkeit für die Pharmazie
Steinklee wählten die Verantwortlichen, weil dieser bei Landwirten für die energetische Nutzung interessant ist. Er kann an Grenzstandorten auch bei trocken-warmer Witterung hohe Biomassen liefern, wenn andere Kulturen überfordert reagieren. Zudem wirkt er als Bienenmagnet. Der Bockshornklee gilt zwar als nicht sehr verbreitet in Deutschland, kommt aber ebenso gut mit trockenen Böden klar. Zudem steht Bockshornklee für eine der beiden großen Gruppen der Saponine. Die eine Gruppe umfasst die Triterpenoidsaponine, die sich in Luzernen und Steinklee finden, Bockshornklee dagegen verfügt über sogenannte Steroidsaponine, die für die Medizin interessant sind. „Deswegen war mir Bockshornklee so wichtig, um auch dessen Anbauwürdigkeit für pharmazeutische Anwendungen zu prüfen“, erklärt Sensel-Gunke.
Die Luzerne wiederum ist vor allem für ihre Proteine als Futterpflanze beliebt. Als Bodenverbesserer gelten alle drei Arten dank stickstoffbindender Knöllchenbakterien und tiefer Wurzeln.
Kaum Ernte
Während im ersten Anbaujahr 2022 Steinklee und Luzernen gut anwuchsen, mussten die Wissenschaftler allerdings erste Verluste hinnehmen. Denn eine verwertbare Ernte der beiden Kulturen konnte durch die langanhaltende Trockenheit – auf Beregnung verzichteten die Forscher – nicht eingefahren werden. Ebenso Ernüchterung beim Bockshornklee: Er konnte sich kaum gegen Begleitunkräuter durchsetzen und „ging nach einem notwendigen Schröpfschnitt leider ein“, wie die Projektverantwortliche berichtet. Zugelassene Herbizide gibt es nicht. Diese Probleme beim Anbau entstanden vermutlich durch die Kombination aus Trockenheit, Unkrautdruck sowie den Rettungsversuch Schröpfschnitt. Denn: Gerade in der frühen Jugendphase zeigten sich Boxhorn- und Steinklee relativ konkurrenzschwach gegenüber Beikräutern, obwohl generell gilt, dass beide Kulturen bei trockenem, warmen Wetter mit wenig Wasser eine Nische besetzen und dort ihre Stärken ausspielen.
Das Jahr 2023 zeigte sich gnädiger: Zwar schaffte es der Bockshornklee wieder nicht, sich ernsthaft zu etablieren. Dafür boten Luzernen und Steinklee gute Erntemengen – auf den IASP-Versuchsflächen ebenso wie beim On-farm-Versuch bei Landwirt Peter Kaim. Tatsächlich zeigte der Steinklee mit dem ersten und zweiten Schnitt in Summe ein höheres Ertragsniveau als die ersten zwei Luzernenschnitte. Allerdings ging er nach dem zweiten Schnitt ein, während die Luzerne „beim zweiten Schnitt einen draufgesetzt“ hatte, wie Sensel-Gunke berichtet. Den Ausfall des Steinklees könnte sich mit einem ungünstigen Erntetermin – da 35 Grad Celsius und Trockenheit ¬– beziehungsweise mit einem zu niedrigen Schnitt erklären, so Karen Sensel-Gunke. Fakt ist: Steinklee ist ohnehin nur zweijährig und „vielleicht war auch schon seine Entwicklung zu Ende“, mutmaßt Andreas Muskolus, Leiter der IASP-Versuchsstation Berge. Er stützt aber die Vermutung: Steinklee, so ist in der Literatur zu lesen, treibe teilweise nach dem Schnitt aus den Blattachseln wieder aus. Deswegen biete sich der Hochschnitt an, um nicht diese Verzweigungen mit abzuschneiden, wie möglicherweise beim Versuch geschehen. Beide wollen sich hierzu aber „noch nicht aus dem Fenster lehnen“, so Sensel-Gunke, da aus nur einem Vegetationsjahr wenig abzuleiten sei. Der Steinklee wurde nun für das Jahr 2024 erneut ausgesät, für weitere Erkenntnisse. Doch es zeigt sich schon jetzt: Der Steinklee hat an extremen Standorten Vorteile, wo andere Kulturen nur überschaubare Biomassen zustandebringen. Die richtige Schnitthöhe gilt es noch herauszufinden. Jedenfalls ist der Steinklee eine spannende, aber nicht einfach zu händelnde Kultur.
Löcher in der Ballenhaut
Für die Untersuchung, wie sich eine Konservierung auf den Saponingehalt im Erntegut auswirkt, ließ man die geschnittenen Luzernen und den Steinklee auf den Flächen zunächst anwelken. Anschließend wurde ein Teil der Ernte von einem Dienstleister siliert, indem er die Ernte in Ballen mit zirka 450 Kilogramm Gewicht luftdicht eingepackte. Auf Silier-Hilfsmittel und Häckseln wurde verzichtet. Vermutlich hätte auch das Silieren im Fahrsilo geklappt, schätzt Sensel-Gunke nach Gesprächen mit Landwirt und Praxispartner Peter Kaim. Der andere Teil der Ernte wurde komplett getrocknet. Vereinzelte Schwierigkeiten machte der Steinklee bei der Ballensilierung. Dessen hoher Faseranteil veranlasste die Fachleute vorsorglich mehr Netze beim Wickeln einzusetzen. Dennoch bohrten Pflanzenteile Löcher in die Ballenaußenhaut. Über die Löcher konnten Pilze eindringen und sich zonal ausbreiten. Das Problem: Pilze können den im Steinklee enthaltenen Stoff Cumarin in Dicumarol umwandeln, das bei Wiederkäuern zu Darmblutungen führen kann. Landwirt Peter Kaim entfernte deshalb die Pilzzonen, verfütterte aber nur eine kleine Dosis des Steinklees an seine Kühe, die das Heu – auch wegen seines Waldmeisteraromas – sehr gerne annahmen. „In großen Mengen sollte der Steinklee nicht verfüttert werden“, erklärt Sensel-Gunke. Die Kultur eignet sich stattdessen aufgrund hoher Proteingehalte ebenso als Gründünger oder zur energetischen Nutzung in der Biogasanlage, was ebenso vom Betrieb umgesetzt wurde.
Erntezeitpunkt wichtig
Ein Ziel des Projektes ist neben den Anbauversuchen, die Saponingehalte in den Kulturen zu prüfen. Dafür entnahm Karen Sensel-Gunke drei bis fünf Kilogramm Luzernen und Steinklee je Parzelle. Nachdem die Proben bei 60 Grad Celsius getrocknet und vermahlen wurden, bestimmte sie die Saponinkonzentrationen.
Zwar handelt es sich um die erste Beprobung in diesem Projekt – die Ernte im Jahr 2022 war ja ausgefallen – doch einen Trend erkennt die Wissenschaftlerin: Der Steinklee lieferte im ersten Schnitt deutlich höhere Saponingehalte als die Luzerne. Bei Luzernen scheinen die Gehalte mit dem zweiten Schnitt anzusteigen und mit dem dritten im August wieder zu fallen. Das heißt, „der Saponingehalt folgt einem Muster abhängig von der Vegetationsphase“, schließt Sensel-Gunke aus den Ergebnissen. Das sei eine wichtige Erkenntnis, um zu entscheiden, welcher Schnitt in die Fütterung oder Biogasanlage gehe und zu welchem Zeitpunkt die Pflanzen wegen ihrer Saponine geerntet würden. „Davon hängt schlussendlich auch die Wahl der Erntetechnologie ab.“ Bezüglich der Saponingehalte unterscheiden sich die Sorten bei den Luzernen bisher kaum. Ob sich die Gehalte ändern, je nach dem, ob die Pflanzen getrocknet oder siliert wurden, gilt es noch zu untersuchen. Eher rechnet die Wissenschaftlerin mit Schwankungen bei den Gehalten im Zusammenhang mit dem Alter der Pflanze. Doch hierzu könnten erst weitere Datenauswertungen und Forschungsarbeit Antworten liefern.
Ebenso nach Antworten, warum sich der Bockshornklee auf der Fläche nicht durchsetzt, suchen die Wissenschaftler noch. Tatsächlich ist kein zertifiziertes Sortensaatgut zu bekommen, weshalb die Forscherin mit Mischungen arbeitet. Die fehlende „Zielgenauigkeit“ des Saatguts, könnte ein Grund für die geringe Konkurrenzkraft des Bockshornklees sein. Hier sucht das IASP-Team noch Abhilfe. Zudem hält Karen Sensel-Gunke weiter Ausschau nach neuen Saponin-Kandidaten: Die könnten sich in Rosskastanien verstecken. Hierzu besteht bereits ein enger Austausch zu einem weiteren Projekt. Auch überlegen die Verantwortlichen, die Stängel der Leguminosen getrennt von den Blättern zu ernten. Diese Technik wird unter anderem in einem ZALF-Projekt erprobt und könnte helfen, die Pflanzenteile mit höheren Saponinkonzentrationen gezielter zu gewinnen.
Karen Sensel-Gunke (IASP) und Julian Delbrügge (ILU)