In der deutschen Milchviehhaltung sind große Herden mit über 1.000 Tieren die gängige Betriebsgröße. Eine rein visuelle Beobachtung der Tiere, die Erkennung von Tiergesundheit und Reproduktionsstadien mit anschließender händischer Dokumentation sind hier nicht mehr lückenlos möglich. Daher finden immer mehr Landwirte Unterstützung in modernen Technologien; ein tierindividueller routinemäßiger Tierwohl-Check ist jedoch nicht bekannt. Die am IASP entwickelte elektronische Ohrmarke smardtag® ermöglicht die Erfassung der psychophysiologischen Parameter Elektromyogramm, Hautpotential, Hautwiderstand und Hauttemperatur sowie der Bewegungsaktivität am Milchrind. Diese können anschließend regulationsdiagnostisch analysiert und zur Bestimmung von Tierwohl und Tiergesundheit sowie des Brunst- und Kalbezeitpunkts genutzt werden. Ziele des Innovationsprojektes Tierwohl-Ampel II waren die Weiterentwicklung und Optimiewrung des Ohrmarkensystems sowie seine Einbindung in die der Milchviehhaltung weit verbreitete Herdenmanagement- Software HERDEplus.
Im Rahmen der dreijährigen Forschungsarbeiten wurden u. a. 57 Milchkühe an zwei Standorten mit smardtag®-Ohrmarken Sensoren ausgestattet. Von den 10.820 erfassten Messtagen konnten 8.880 Datensätze in die umfangreiche Auswertung einfließen. Zur Erkennung der genannten Zielgrößen wurde eine Vielzahl an Referenzsystemen eingesetzt, welche eine Gruppierung der Messtage in Ereignisgruppen zuließen. Es wurden 60 Brunstverläufe, 40 Kalbungen und mehrere hundert Tage mit unterschiedlichen Erkrankungen ausgewertet und der Mehrzahl an Tagen mit unbeeinträchtigtem Tierwohl gegenübergestellt. Zudem wurden Stressfaktoren wie Klauenschnitt, Trockenstellen und Hitzestress untersucht. Während der mit der smardtag® zu bestimmenden Ereignisse konnte eine Veränderung (Anpassung) von Regulationsaktivität und -güte der Tiere in den erhobenen Parametern erkannt werden. Erwartungsgemäß zeigten sich jedoch große tierindividuelle Unterschiede hinsichtlich der Werte im Normalzustand, so dass Stressorbedingte Abweichungen sich nicht als allgemeingültige absolute Grenzwerte definieren lassen. Vielmehr hat eine tierspezifische Eichung des Sensors am gesunden Individuum zu erfolgen, um tierindividuelle Abweichungen erkennen und das Ziel einer automatisierten „Tierwohl-Ampel“ ermöglichen zu können.
Deutsche Innovationspartnerschaft Agrar (DIP Agrar) der Landwirtschaftlichen Rentenbank
Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft (BLE)
• Landwirtschaftliche Beratung der Agrarverbände Brandenburg GmbH (LAB), Teltow
• Institut für Fortpflanzung landwirtschaftlicher Nutztiere Schönow e.V. (IFN), Schönow
• dsp-Agrosoft GmbH, Ketzin
• AHB GmbH, Teltow
• Tierzuchtgut Heinersdorf GbR, Steinhöfel
Dr. med. vet. Nanna Pflugfelder